GEMA gegen OpenAI: mehr als ein Streit um Songtexte

In München läuft derzeit ein Verfahren, das die Grundlagen generativer KI in Europa verändern könnte. Die GEMA, die rund 100.000 Urheberinnen und Urheber vertritt, hat OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGP, verklagt. Der Vorwurf lautet, ChatGPT gebe bei bestimmten Eingaben geschützte Liedtexte nahezu wortgleich wieder. Damit, so die GEMA, habe OpenAI urheberrechtlich geschützte Werke für das Training seiner Modelle genutzt ohne Lizenz und ohne Vergütung. Das Landgericht München I verhandelt den Fall (Az. 42 O 14139/24) als eines der ersten europäischen Musterverfahren zu generativer KI und Urheberrecht. Was zunächst nach einem technischen Detail klingt, betrifft die Grundfrage, wie KI in Zukunft trainiert und genutzt werden darf.

Worum geht es?

Im Zentrum des Prozesses stehen zwei grundsätzliche Themen:

Reproduktion oder Kreativität: was tut eine KI?

Wenn ChatGPT Textpassagen nahezu identisch wiedergibt, stellt sich die Frage, ob die KI lediglich das, was sie in Trainingsdaten gesehen hat, reproduziert und also eine Art digitales Gedächtnis hat. Oder erschafft sie etwas Neues, indem sie Wahrscheinlichkeiten berechnet und Worte neu kombiniert? Diese Unterscheidung ist entscheidend, denn wenn ein Modell tatsächlich aus geschützten Werken „lernt“, gilt das als Nutzung und müsste lizenziert werden. Wenn es jedoch „nur“ inspiriert ist, wie ein Mensch, der etwas liest und später selbst einen eigenständigen Text verfasst, könnte die Nutzung legal sein.

Wer trägt die Verantwortung: Betreiber oder Nutzer?

Wenn ein KI-Modell auf eine Eingabe hin urheberrechtlich geschützte Inhalte wiedergibt, stellt sich die zweite Frage. Trägt die Verantwortung der Betreiber, der die Daten verarbeitet und die Modelle trainiert hat oder der Nutzer, der den Prompt formuliert und damit die konkrete Ausgabe auslöst? Die Antwort hat enorme praktische Bedeutung nicht nur für Entwickler, sondern auch für Unternehmen, die KI-Systeme einsetzen oder integrieren.

Warum ist der Fall auch europaweit wichtig?

Die Entscheidung des Münchner Gerichts sollte weit über Deutschland hinaus Beachtung finden, denn sie berührt zentrale Aspekte der europäischen KI-Regulierung vom Urheberrecht über die KI-Verordnung bis hin zu Fragen der Datenlizenzierung. Sollte das Gericht der GEMA Recht geben, müssten Anbieter wie OpenAI künftig vielleicht mit kollektiven Lizenzmodellen arbeiten, ähnlich wie Musik-Streaming-Dienste es schon tun.

Umgekehrt würde ein Urteil zugunsten von OpenAI die Position stärken, dass maschinelles Lernen als eine Art „analytische Nutzung“ gilt, vergleichbar mit menschlichem Lernen durch Lesen, ohne dass jedes gelesene Werk lizenziert werden müsste.

Was das für die Zukunft bedeutet

Egal wie das Verfahren ausgeht, es wird die Nutzung von KI-Tools in Europa nachhaltig prägen,
denn es geht nicht nur um einzelne Liedtexte, sondern um das Prinzip, auf dem generative Modelle beruhen: Wie viel „Fremdes“ darf eine Maschine verarbeiten, um Neues zu schaffen und wann gilt ihr Output als etwas Neues? Und wer trägt die Verantwortung für den Output?

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